Im Internet wird „zurückgeschrieben“

Prof. Wolfgang Ockenfels OP, Foto: Andreas Kobs

Prof. Wolfgang Ockenfels OP, Foto: Andreas Kobs

Das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg hat sein traditionelles 1.-Mai-Kolloquium in diesem Jahr mit den Journalisten Roland Tichy und Klaus Kelle sowie dem Präsidenten der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Frank Richter veranstaltet. Unter dem Motto „Unwort Lügenpresse“ fragte die Veranstaltung: „Wie vertrauenswürdig sind die Massenmedien?“. Für Misstrauen gibt es durchaus Anlass, so könnte man das Ergebnis zusammenfassen.

Das Problem besteht dabei nicht in erster Linie in offenkundigen Lügen oder der Darstellung falscher Fakten. So etwas ließe sich leicht und schnell entlarven. Der Begriff der Lüge ist daher meistens nicht angebracht – ganz abgesehen davon, dass das Wort „Lügenpresse“ kontaminiert ist, wie es Frank Richter ausdrückte. Das Problem besteht im Überwiegen einer linken, progressiven Tendenz in den Medien, die dazu führt, dass der Großteil der Medien mit einem entsprechenden politischen Spin berichtet, wobei die Meinung immer häufiger direkt in die Berichterstattung über Fakten hineinfließt. Die Fakten werden dabei oft so manipuliert, dass sie die vorher bereits feststehende Meinung stützen. Und über einige Fakten wird gar nicht oder nur selten berichtet, wenn sie nicht in das gewünschte Schema passen, auch wenn sie eigentlich großen Nachrichtenwert oder hohe gesellschaftliche Relevanz haben. Es handelt sich also um eine Frage der Wertebene, der Bewertungen, die oft auf falschen Ideologien, auf „Lebenslügen“ basieren, skizzierte der Vorsitzende des Walberberg-Institutes Prof. Wolfgang Ockenfels OP den Problemaufriss der Veranstaltung.

Medien müssen politische Bildung mitvollziehen

Frank Richter definierte den Auftrag der politischen Bildung als überparteiliche Organisation des gesellschaftlichen Dialogs, zur Not bis zur Schmerzgrenze. Dies habe er bei Pegida umgesetzt. Es gebe keine Alternativen zum offenen vernünftigen politischen Dialog, auch wenn eine Verhinderung weiterer Radikalisierung dadurch nicht absolut gesichert ist. Die rasche, gut organisierte Gegenwehr gegen Pegida habe in eine Eskalation der Konfrontation geführt, in die er selbst unter dem Stichwort „Pegidaversteher“ hineingezogen wurde. Er kritisierte, dass sich die Politiker der öffentlichen, offenen und fairen Auseinandersetzung weitgehend entziehen und selten eine Bereitschaft zu verstehendem Zuhören, Argumentieren und Abwägen zeigten. Die Fehleinschätzung der Dresdner Pegida-Bewegung durch viele Journalisten erklärte Richter mit einer „Phänomenologiefalle“, die vom äußeren Erscheinungsbild der Demonstrationen direkt auf die dahinterliegende Motivation schloß. Er selbst war anfangs in diese Falle getappt und hat sich später dafür öffentlich entschuldigt. Inzwischen gibt es eine intensive Forschung und auch differenzierte Erklärungen für das Entstehen der sächsischen Pegida. Auch die Berichterstattung in Sachsen werde zunehmend differenzierter, mit weniger Empörung drin. Richter begrüßte diese Entwicklung mit dem Hinweis, dass politische Bildung chancenlos sei, wenn sie von den Vertretern der Medien nicht mitvollzogen wird.

Moral als Mittel der Meinungskontrolle

Klaus Kelle stellte fest, dass das Unbehagen über die etablierten Medien wächst. Kelle wandte sich aber gegen die verschwörungstheoretische Vorstellung von finsteren Kräften, die aus dem Hintergrund die Medien steuern und warnte vor Alarmismus und Katastrophenstimmung. Er habe es noch nie erlebt, dass es eine Anweisung des Chefredakteurs gegeben hätte, was man zu schreiben hat. Seine Erklärung für die politische Schlagseite in den Medien ist einfach: Nach einer Studie des Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger wählen 63 % der Journalisten linke Parteien. Und dementsprechend fällt auch das vermittelte politische Stimmungsbild in den Medien aus. Ein Großteil berichtet links, bzw. progressiv. Er teile das Bild vom „Mehltau der Political Correctness“, der sich über das Land und die Medien gelegt hat und nun Moral als Mittel der Meinungskontrolle benutzt. Tatsächlich würden interessierte Kreise versuchen, durch Wording Dinge abzuwerten und an den Rand zu drängen. Als Beispiel nannte er das abwertende Adjektiv „umstritten“. Dieses werde in der Regel ausschließlich für politische Initiativen aus bürgerlichen Kreisen gebraucht, z.B. beim Betreuungsgeld und der Flexiquote. Faktisch sind aber alle politischen Projekte umstritten, also z.B. auch Klimapolitik und Kitaausbau, aber für solche Projekte werde es meistens nicht benutzt. Während Kelle den Medien grundsätzlich die Berechtigung zugestand, auch eine politische Schlagseite zu haben, machen die Öffentlich-Rechtlichen für ihn einen Unterschied. Hier sollte doch ein stärkeres Maß an Ausgewogenheit und Fairness gelten. Man könne den Massenmedien zumindest bei den Nachrichten grundsätzlich schon noch vertrauen, zog Kelle sein Fazit.

Propheten einer Sache

Roland Tichy verwies auf die Erwartungen der Gesellschaft, die einen Anteil daran hätte, dass Journalisten oft die Wahrheit gar nicht schreiben können, etwa hinsichtlich der Regelungen zum Persönlichkeitsschutzrecht. Auch die Standards der Medienbranche zielten vielfach auf Selbsteinschränkung und Wahrheitsbeschränkung. Die Zunft habe sich viele Vorgaben der Political Correctness zu eigen gemacht, die zur selbstauferlegten Blindheit, zu Lügen, Verschweigen und Selbstzensur führten, klagte Tichy etwa mit Blick auf Ziffer 12 des Deutschen Pressekodex. Er plädierte im Gegenzug dafür, die Freiheit der Medien wieder mehr zu erweitern. Harte Worte fand Tichy für die Dominanz linker Meinungsmacher in den Medien. Ein bestimmtes Milieu habe das System der Medien übernommen und rekrutiere sich nun aus sich selbst heraus, sagte er. Anders als etwa britische oder US-amerikanische Journalisten, die sich mehr der Beschreibung der Wirklichkeit verpflichtet fühlten, seien deutsche Journalisten – auch vom Selbstverständnis her – mehrheitlich eher „Propheten einer Sache“. Das verstärke sich derzeit noch.

Immer häufiger komme es zu Szenen eines „Gerichtsjournalismus“, bei dem eine unter Gruppendruck agierende Menge von Medienleuten einen Angeklagten jagt, ohne dass eine Verteidigung vorgesehen ist. In diesem Modus sind Journalisten wie ein „wildes Biest“, zitierte er den britischen Premier David Cameron. Die Technik der Skandalisierung überrolle die Wirklichkeit immer mehr. Und gut organisierte Gruppen bedienten sich dieser Technik, analysierte Tichy. Beispielhaft nannte er u.a. politisch organisierte Schwule, Lesben und Transgender oder die Konferenz islamischer Staaten, die für die Anerkennung von „Islamophobie“ als Straftatbestand kämpft. Auch die politische Linke bediene sich dieser Technik bei ihrer Strategie, den staatlich subventionierten Kampf gegen Rechtsextremismus immer weiter auf die bürgerliche Mitte auszuweiten und zur Ausgrenzung bürgerlicher Positionen zu benutzen.

Im Internet wird „zurückgeschrieben“

Einen Hoffnungsschimmer sah Tichy in den Möglichkeiten des Internets. Das Netz habe die Spielregeln etwas verändert. Hier werde jetzt „zurückgeschrieben“. Menschen rotten sich dafür jetzt ihrerseits zu Gruppen im Internet zusammen, was oft auch unangenehm sein kann. In jedem Fall ist dadurch die Zeit der Deutungshoheit der etablierten Medien, des „Kathederjournalismus“ vorbei. Jeder sieht jetzt, dass Journalisten auch nicht viel mehr wissen, als im Netz steht und oft auf sehr dünner Faktenlage operieren. Viele Originalquellen sind im Netz verfügbar. Man kann sich nun selbst ein Bild machen. Das sei eine dramatische Veränderung.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden einige Aspekte der Vorträge noch einmal vertieft und auch kontrovers diskutiert. Frank Richter etwa vertrat die These, dass die Menschen ja auch zwischen den Zeilen lesen könnten und schon deshalb nicht so sehr Opfer der Medien seien, weil sie in Sachsen ja trotzdem konservativ oder rechts wählen würden. Dem widersprach Roland Tichy. Medien entfalte Wirkung, Berichterstattung hat Folgen, v.a. mittel- und langfristige Folgen, führte er aus. Es finde eine Werteverschiebung statt, etwa bei der Akzeptanz linker Gewalt als Ausdruck von Zivilcourage oder in der Programmatik der CDU, die nicht mehr als konservative Partei bezeichnet werden könne.

Wirksamkeit eine Frage von Qualität und Überzeugung

Zu den neuen Möglichkeiten des Internet gab es auch skeptische Stimmen. Es könne missbraucht werden und es gebe die Gefahr, dass völlig selbstreferentielle Gruppen dort entstünden. Dem entgegnete Tichy, dass man alles mißbrauchen könne, auch das Internet. Dennoch wird es bleiben und aufgrund des niedrigeren Marktzugangs eine Demokratisierung und Revolutionierung des Mediengeschäfts bewirken, die man nutzen kann. Kelle plädierte dafür, unbedingt Facebook und Twitter mitzumachen. Wer es nicht tue, werde irgendwann auch politisch nicht mehr mitmachen. Es werde in zehn Jahren keine Tageszeitungen, auch keine regionalen mehr geben, prognostizierte er. Richter sprach den Konservativen Mut zu, aus eigener Kraft auch über das Internet Öffentlichkeit zu erzeugen und plädierte für eine „qualifizierte Minderheit“ nach dem Vorbild der Christen in der DDR, die vor allem durch Klasse statt durch Masse wirke.

Zur Sprache kam auch die Rolle der Katholischen Kirche in der deutschen Öffentlichkeit. Tichy beklagte, dass er sie gar nicht oder opportunistisch sehe. Sie sei wie weg diffundiert, unsichtbar, und habe alle Instrumente aus der Hand gegeben. Kelle pflichtete dem bei. Die katholische Kirche sei in Deutschland ein „medialer Zwerg“. Richter riet der Kirche dazu, die eigene Position an der Diskussion mit den Widerspruchsgeistern zu stärken und dabei auch deren Sprache zu lernen. Er wies darauf hin, dass Wirksamkeit eine Frage der Glaubensüberzeugung ist.

Zum Video des Vortrags von Frank Richter.
Zum Video des Vortrags von Klaus Kelle.
Zum Video des Vortrags von Roland Tichy.


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