dpa stellt DEMO FÜR ALLE wiederholt falsch dar

DEMO FÜR ALLE in Stuttgart am 21. Juni 2015, Foto: demofueralle.de

DEMO FÜR ALLE in Stuttgart am 21. Juni 2015, Foto: demofueralle.de

Die Deutsche Presseagentur (dpa) hat gravierende Falschmeldungen über die DEMO FÜR ALLE verbreitet. Meldungen der DPA Baden-Württemberg gaben die tatsächlichen Forderungen der DEMO FÜR ALLE nicht korrekt wieder und stellten die Gewaltverhältnisse vor Ort falsch dar. Insbesondere verschleierten sie die tatsächliche Urheberschaft aggressiver und gewalttätiger Handlungen bei den Demonstrationen oder verkehrten sie sogar ins Gegenteil. Hier gibt es eine Übersicht der falschen Darstellungen zur DEMO FÜR ALLE durch die dpa Baden-Württemberg. Durch wiederholtes Auftreten fehlerhafter Meldungen entsteht der Eindruck des Vorsatzes.

Die fehlerhaften Meldungen hatten zunächst die Veranstalter der Proteste gegen den Bildungsplan in Baden-Württemberg thematisiert (hier und hier). Besonders gravierend war ein Fehler in einer dpa-Meldung zur DEMO FÜR ALLE am 21.03.2015. Die DPA schrieb:

„Zum sechsten Mal protestieren die Gegner des Bildungsplans. Polizisten fanden bei einigen Demonstranten Vermummungsmaterial, Pfefferspray und ein Taschenmesser, das beschlagnahmt wurde. Die Betroffenen wurden des Platzes verwiesen und angezeigt.“

Hier wurden zwei an sich korrekte Fakten in einen falschen Zusammenhang gebracht, sodass der irreführende Eindruck entsteht, es seien Bildungsplangegner bewaffnet des Platzes verwiesen worden. Tatsächlich waren es ausschließlich linke Bildungsplanbefürworter, auf die der Platzverweis zutraf, wie der Polizeibericht belegt.

FaireMedien richtete deshalb am 23.04.2015 eine Anfrage an die dpa in Stuttgart und bat um Stellungnahme zur Reaktion aus dem Aktionsbündnis und um Auskunft zur Qualitätskontrolle und zu den medienethischen Standards bei der DPA.

Diese Anfrage blieb zunächst unbeantwortet. FaireMedien fragte deshalb am 03.06.2015 beim Chefredakteur der dpa, Sven Gösmann, nach.

Am 16.06.2015 beantwortete der Leiter der dpa Baden-Württemberg Henning Otte die Anfrage von FaireMedien. Er räumte ein, dass bei der Berichterstattung zur DEMO FÜR ALLE am 21.03.2015 Fehler gemacht wurden. Wörtlich schrieb Otte:

“Sie haben Recht mit Ihrem Hinweis darauf, dass an dieser Stelle zwei in sich korrekte Fakten so dargestellt worden sind, dass ein falscher Zusammenhang als Eindruck beim Leser entstehen konnte. Wir hätten in dieser Meldung in der Tat deutlicher sagen sollen, dass Vermummungsmaterial, Pfefferspray etc. bei Gegendemonstranten gefunden worden sind – und nicht bei den Teilnehmern der Demonstration gegen den Bildungsplan.”

Auf die in der Anfrage von FaireMedien ebenfalls thematisierte falsche Wiedergabe der Forderungen der DEMO FÜR ALLE ging Otte in seiner Antwort nicht ein.

In der jüngsten Berichterstattung der dpa Baden-Württemberg zur DEMO FÜR ALLE am 21.06.2015 kam es wieder zu fehlerhaften Darstellungen über die Gewaltverhältnisse vor Ort und die Forderungen der Demonstranten. Die Erwartungen hinsichtlich einer DPA-internen Lösung der Probleme wurden enttäuscht.

Die Vorfälle sind geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der dpa Baden-Württemberg zu erschüttern. DPA-Meldungen sind besonders sensibel, weil sie von vielen anderen Medien oft unverändert übernommen werden und so viel stärkere Wirkung entfalten. Die DPA ist die größte Nachrichten-Agentur Deutschlands. In ihrer Selbstbeschreibung heißt es, sie garantiere die eigene Nachrichtenbeschaffung „nach im dpa-Statut festgelegten Grundsätzen: unparteiisch und unabhängig von Weltanschauungsfragen, Wirtschafts- und Finanzgruppen oder Regierungen.“


Kommentare

dpa stellt DEMO FÜR ALLE wiederholt falsch dar — Ein Kommentar

  1. Einmal eine tatsächlich reale Sichtweise eines tatsächlich betroffenen Menschen in „Zeitjung“, Interview mit Kim Schicklang:

    Ich will, dass dieser Staat mein Geschlecht anerkennt

    Wie lebt es sich als transsexuelle Frau in Deutschland? Das haben wir Kim Schicklang gefragt. Bis zur gesellschaftlichen Anerkennung muss sich noch vieles tun.

    zeitjung

    Interview: Markus Ehrlich

    Der Jubel über die Entscheidung des höchsten US-Gerichts, die Ehen homosexueller Paare rechtlich gleichzustellen, ist grenzenlos: Über 30 Millionen Menschen färben in sozialen Netzwerken ihre Profilbilder regenbogenfarben, der Hashtag #lovewins wird zum viralen Dauerbrenner. Bei all der Freude gibt es aber auch Menschen, die noch immer systematisch diskriminiert werden – auch in Deutschland. Wir haben eine transsexuelle Frau getroffen.

    Frau Schicklang, die USA haben die gleichgeschlechtliche Ehe rechtlich gleichgestellt. Verbessert das Urteil des höchsten amerikanischen Gerichts auch die Situation von transsexuellen Menschen?

    Kim Schicklang: Nein, Transsexualität hat damit wenig zu tun und transsexuelle Menschen profitieren davon nicht. Trotzdem finde ich gut, dass da offensichtlich etwas in Bewegung geraten ist, und freue mich, dass Homosexuelle in den USA jetzt die Freiheit haben, die ihnen zusteht.

    Transsexuelle Menschen stehen auch in Deutschland am Rand der Gesellschaft und kämpfen mit Klischees.

    Das Problem sind die Stereotype. Es ist nicht vorgesehen, dass es Frauen mit vermännlichten Körperteilen gibt. In Fernsehfilmen zum Beispiel…

    …geht es immer um Frauen, die mal Männer waren?

    Richtig. Es wird in nahezu allen Filmen zum Thema die Geschichte eines Mannes erzählt, der zur Frau wird. Bebildert wird das mit den üblichen Utensilien wie schlechtem Make-up, dem Tragen von Frauenkleidung oder dem unbeholfenen Gehen in Schuhen mit hohen Absätzen. Was da erzählt wird, ist die Story von Transvestiten – verkleideten Männern. Transsexuelle Frauen sind aber Frauen mit vermännlichten Körpermerkmalen. Da wird nichts von einem Geschlecht zum anderen gewandelt. Transsexualität beschreibt eine körperliche Variation, auch wenn nicht alle wahrhaben wollen, dass es das überhaupt gibt: Frauenkörper können von Normen abweichen.

    Aber eigentlich ist das doch ganz einfach: Jungs haben einen Penis und Mädels eine Vagina. Was stimmt an dieser Sichtweise nicht?

    Diese Vorstellung geht davon aus, dass Frauen und Männer grundsätzlich verschiedene Menschentypen sind. Das ist gesellschaftlich zwar tief verankert und uns über Generationen so antrainiert worden, entspricht aber nicht den Erkenntnissen der Biologie. In den ersten Wochen hat ein Embryo nämlich beide Geschlechter, dann entwickeln sich die verschiedenen geschlechtlichen Merkmale. Das ist der Grund, warum Männer Brustwarzen haben oder es am Hodensack eine Naht gibt. Diese Naht heißt Raphe und wächst erst später zu. Das heißt: Sie könnte sich auch zur Vagina bilden. Es gibt verschiedene geschlechtliche Merkmale. Deswegen lässt sich auch nicht sagen, dass es da eine einzelne Linie zwischen Mann und Frau gibt. Geschlecht ist komplex.

    Aber diese Körpermerkmale entwickeln sich doch schließlich in die eine oder andere Richtung.

    Kein Penis, beziehungsweise keine Klitoris, ist ein verlässliches Geschlechtsmerkmal. Es gibt so viele Dinge, die wir nicht wissen und deswegen nicht verallgemeinern können. Ein Genital muss nicht die gleiche geschlechtliche Entwicklung durchgemacht haben, wie ein anderes der vielen geschlechtlichen Merkmale eines Menschen. Manche denken ja: Jungs haben einen Penis und spielen mit Autos, Mädchen haben eine Vagina und bevorzugen Puppen. So einfach ist das aber nicht. Aus meiner Sicht ist das Gehirn das einzig verlässliche Geschlechtsorgan, da es der Sitz des Bewusstseins ist. Ich bin nicht transsexuell geworden, sondern so geboren. Das Coming-Out ist immer eine Wahrheit und muss sich keiner gesellschaftlichen Norm unterordnen. Warum kann man Menschen nicht einfach glauben, dass sie wissen, wer oder was sie sind?

    Die Rechtslage ist da auch schwierig oder?

    Wenn jemand seine Papiere ändern will, damit der Ausweis oder Urkunden dem eigenen Geschlecht entsprechen, muss er sich von einem Gutachter eine Geschlechtsidentitätsstörung attestieren lassen. Diese besagt, dass er oder sie als Mann oder Frau leben möchte. Es wird geprüft, ob eine Frau mit vermännlichtem Körper „als Frau leben“ kann. Kommt ein psychiatrischer Gutachter zum Ergebnis, dass die Frau aus seiner Sicht dazu nicht in der Lage ist, darf der Staat sie weiter als Mann behandeln.

    Haben Sie Ihre Papiere geändert?

    Nein, weil ich eben kein Mann bin, der eine Frau sein möchte, so wie das heute noch verstanden wird. Ich will, dass dieser Staat mein Geschlecht anerkennt – und nicht als einen Mann, der sich wie eine Frau fühlt. Dass Frauen mit nicht normgerechtem Körper sich in Deutschland zu Männern erklären lassen müssen, die als Frau leben wollen, haben 2008 bereits die Vereinten Nationen als Paradoxon bezeichnet. Geändert hat sich in den letzten Jahren an dieser Praxis nichts. Es muss da ein gesellschaftliches Umdenken her. Man muss sich das mal vorstellen: Es wird Menschen unterstellt, dass sie nicht real sind.

    Sie haben trotzdem eine Operation Ihrer Genitalien vornehmen lassen. Warum?

    Ich habe die Operation aus einem anderen Grund gebraucht – nämlich um stimmig mit mir zu sein. Es mag zwar sein, dass es Frauen gibt, die mit einem Penis zwischen ihren Beinen glücklich sind, ich empfand das aber als ziemliche Einschränkung der Lebensqualität. Das hat weniger mit Ästhetik zu tun, sondern eher mit so etwas wie einer Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit. Eine außen liegende Klitoris, die so aussieht, wie ein Penis ist eben nicht ganz so prickelnd. Da leiden viele darunter. Bei mir war das auch so.

    Wie lebt es sich als transsexuelle Frau in Deutschland?

    Ich hatte mein Coming-Out mit 33 und davor schon mehrere Versuche. Mein Glück war dann schließlich, dass ich in meinem Umfeld viele verständnisvolle Menschen hatte, die mir geglaubt haben. Denen war klar, dass ich keinen Unsinn rede, sondern die Wahrheit sage. Natürlich wurde mir aber nicht von überall Verständnis entgegengebracht. Im Job war es beispielsweise sehr schwierig. Vor dem Outing habe ich eine Abteilung geleitet – danach halt nicht mehr.

    Transsexuelle Menschen werden gerne als Freaks dargestellt. Im Orsons-Song „Horst und Monika“ beispielsweise.

    Ich nehme den Orsons diesen Song aus einem Grund übel: Die Frau, von der sie da singen, existiert wirklich. Hätten sie einen fiktiven Charakter gewählt, wäre das nicht so schlimm gewesen. So sehe ich das aber als Dummheit spät-pubertierender Rapper an. Wenn man sich am Leben eines real existierenden Menschen bereichert und eine Lebensgeschichte für Profit ausschlachtet, indem man sich über diesen Menschen lustig macht und sich dabei noch nicht einmal an der Wahrheit orientiert, ist das Allerletzte.

    Was muss passieren, dass diese „Freakisierung“ aufhört?

    Kritische transsexuelle Menschen müssen in den Medien vorkommen und sich äußern dürfen. Anstatt das Freak-Klischee zu dreschen, müsste man sie mal zu bestimmten Themen befragen. Warum Frauen mit vermännlichten Körpern als Männer gelten beispielsweise. Bisher kommen aber meist nur Menschen zu Wort, die das Klischee über Transsexualität eher bestätigen, als zu hinterfragen. Die Stereotype werden in Deutschland aber dauerpenetriert.

    Sie haben einen Spielfilm zur Thematik gedreht. Er heißt „Der Spalt“. Wovon handelt er?

    Im Film geht es um die Frage, was passiert, wenn etwas oder jemand nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht. „Der Spalt“ ist also ein Spielfilm, der sich genau mit dem Thema Transsexualität beschäftigt. Menschen stehen in unserer Welt häufig vor der Entscheidung, ob ihnen die Person oder die Norm wichtiger ist. Also: Akzeptieren sie den Menschen oder verleugnen sie ihn? Die Fragen, die der Film aufwirft, zeigen, dass es in der Gesellschaft Redebedarf zum Thema gibt.

    Kim Schicklang arbeitet als Sprecherin, Redakteurin und Moderatorin. Zudem ist sie Mitglied der Initiative „ATME e.V.“, welche sich für die Rechte transsexueller Menschen einsetzt. Das Bündnis ist Herausgeber der Stuttgarter Erklärung, welche mit Betroffenen, sowie Psychotherapeuten und Medizinern erarbeitet wurde. Kim Schicklangs Film „Der Spalt“ ist momentan auf Deutschland-Tour.

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