Leserbrief von Pfarrer Reinhard Lenz

Pfarrer Reinhard Lenz erinnert im Leserbrief die Süddeutsche an eine einfache Wahrheit: Wer das Lebensrecht (das jedem laut Grundgesetz zusteht) verteidigt, ist noch kein Radikaler! Der Leserbrief wurde von der SZ nicht veröffentlicht. FaireMedien.de dokumentiert den Leserbrief in vollem Wortlaut.

Betreff: Markus Hollemann

Sehr geehrte Damen und Herren,

bisher war ich immer der Meinung, die „Süddeutsche“ sei eine ordentliche, ernst zu nehmende Zeitung. Nach Ihrer Berichterstattung und Kommentar zur Causa Markus Hollemann bin ich da nun eines besseren belehrt worden und somit völlig anderer Meinung.

Tut mir leid, aber eine Zeitung, die ernst genommen (und gekauft) werden möchte, darf nicht mit Halbwahrheiten, Diffamierungen, Verdrehungen, Verleumdungen und Methoden arbeiten, die auf die Vernichtung Andersdenkender abzielen.

Sie sollten sich überlegen, wen Sie jeweils als Kronzeugen für Ihre Meinung bzw. Ihren Bericht erwählen.
Natürlich bekomme ich immer passende Urteile zu einer Sache oder Person, wenn ich nur „den Richtigen“ frage. Ob das der Wahrheit entspricht oder nicht, das scheint Sie nicht zu interessieren.

So zitieren Sie (SZ 27.01.2015) zum Beispiel Marcus Buschmüller von der Münchner Fachinformationsstelle Rechtsextremismus, ohne nachzuschauen, ob das eigentlich stimmt, was er da sagt. Ganz nach dem Motto „Ich kenne da jemanden, der kennt einen, der hat mal gehört, dass derjenige meint usw.“ Wer jedenfalls Alexandra Linder oder Christa Meves kennt, wird dem Urteil des Herrn Buschmüller – sachlich gesehen – nicht zustimmen können.

In der gleichen Ausgabe erwähnen Sie den Link zum „Lebenszentrum – Helfer für Gottes kostbare Kinder“. Und Sie fügen gleich hinzu, dass es ich hier um einen „umstrittenen Verein“ handele. Das klingt beim Leser gleich negativ, halb kriminell … aber alleine die Tatsache, dass jemand Gegner hat, rechtfertigt doch nicht ein solches Urteil.

Aus der Tatsache, dass ich jetzt Ihre Zeitung kritisiere, folgere ich ja auch nicht, dass Sie höchst umstritten sind und eigentlich verboten werden müssten.

Dass die „Helfer für Gottes kostbare Kinder“ bei besagten „rabiaten Demonstrationen“ getreten, bespuckt, belästigt, provoziert wurden, davon berichten Sie interessanterweise nichts. Und es ist mir auch völlig neu, dass stilles Beten eine Agitation ist. – Primitiver geht es ja nun wirklich nicht.

Ich selbst habe auf der YOU (dieser großen Jugendmesse in Berlin) vor einigen Jahren die angesprochenen „Plastikmodelle eines Fötus“ Jugendlichen überreichen dürfen. Sie können sich wahrscheinlich nicht vorstellen (und wollen es wahrscheinlich auch nicht), mit welcher Dankbarkeit, mit welchem Staunen und mit welcher Ehrfurcht die jungen Menschen, besonders die Mädchen und jungen Frauen, diese angenommen, in ihre Hand gelegt und bewundert haben. Es war – selbst für mich – eine faszinierende Erfahrung.

Man bekommt tagtäglich auf der Straße so viel in die Hand gedrückt. Warum ist das Zeigen oder Überreichen eines Embryo-Modelles etwas so Schlimmes, zumal in einer Zeit, wo wir doch alle so aufgeklärt sind?

Die Antwort kann ich Ihnen gleich geben: eine Frau, die erkennt, dass das „Schwangerschaftsgewebe“ in ihr schon ein ganzer, wenn auch noch kleiner Mensch ist, die geht nicht mehr zur Abtreibung, und das ist für den Abtreibungsarzt und sein ganzes Unternehmen natürlich geschäftsschädigend. Dass Sie sich mit Ihrem Artikel indirekt zum Büttel dieses „medizinischen“ Geschäftszweiges machen, finde ich schon reichlich bedenklich.

Um dann vollends verbrannte Erde zu hinterlassen, fragen Sie natürlich in Denzlingen nach, was denn dieser Herr Hollemann eigentlich für ein Mensch sei. Sie fragen natürlich nicht den Bürger oder Kollegen, sondern ganz einfach den politischen Gegner (nämlich die Chefin der dortigen Grünen-Fraktion, Silke Höfflin). Da bekommt man geliefert, was man möchte. Entschuldigung: aber das empfinde ich als primitiv und ekelig. Ich hatte bisher von Ihrer Zeitung mehr erwartet.

Wer nun der Meinung ist, der Artikel vom 27. Januar 2015 sei nun schon der Gipfel journalistischer Inkompetenz, der wird am Tag darauf eines besseren belehrt. Der Kommentar von Christian Krügel – SZ 28.01.2015 – lässt den Leser nur noch staunen (und wütend werden).

Der Herr Krügel redet nämlich von „einem Verein radikaler Abtreibungsgegner“ und „christlichen Rechtsradikalen“. Tut mir leid, aber wer das Lebensrecht (das jedem laut Grundgesetz zusteht) verteidigt, ist noch kein Radikaler!

Nur in einem Sinne: nämlich, dass er eine „radix“ hat, nämlich Wurzeln, somit ein Fundament, das es ihm ermöglicht, der Macht des Stärkeren zu widerstehen und den Schwachen zu schützen.

Mit gefällt die Freiheitsdefinition von J. J. Rousseau: „Im Vergleich von stark zu schwach ist es das Gesetz, das schützt, und die Freiheit, die versklavt“.

Mir scheint, dass bestimmte Gesetze, (z. B. die, die das Lebensrecht des Menschen schützen) von Ihnen einfach nicht wahrgenommen, ignoriert und (letztendlich sogar) diffamiert werden.

Am Ende seines Kommentars schreibt Krügel: „Wer zu christlich-fundamentalen Schreihälsen geht, muss auch dazu stehen, wenn er sich für ein öffentliches Amt bewirbt.“

Waren Sie mal bei einem „Marsch für das Leben“ oder ähnlichen Veranstaltungen? Haben Sie sich vor Abfassung Ihrer Artikel einmal informiert? Das erwarte ich aber von einer Zeitung wie der Ihrigen.

Die Schreihälse befinden sich dort interessanterweise immer in den Reihen der von Ihnen so gelobten Gegendemonstranten. Schauen Sie sich die Bilder und Filme an, die es dazu im Internet gibt. Die Lebensrechtler sind nicht die Gewalttätigen. Aggressives Verhalten geht von den Gegendemonstranten aus, die Farbbeutel auf friedlich und still demonstrierende Menschen werfen, Transparente und Kreuze gewaltsam entreißen, umherwerfen, zertreten usw. Alte Menschen schubsen, provozieren … ist das alles erlaubt in Deutschland? Im Namen der Freiheit? Ist man dazu legitimiert, nur weil man ja (vermeintlich) „das Richtige, das angeblich Gute“ vertritt? Oder gar die Mehrheit auf seiner Seite hat? – Das hatten wir schon mal.

Ist das die Freiheit, von der wir ständig reden und hören?

Da lobe ich mir doch den alten Voltaire, der einmal gesagt haben soll: „Ihre Meinung ist mir zwar widerlich, aber ich werde mich dafür totschlagen lassen, dass Sie sie sagen dürfen.“

Und auch das dürfte uns doch zu denken geben: „Haben Sie eigentlich schon mal darüber nachgedacht, was passiert wäre, wenn meine Mutter abgetrieben hätte? Dann hätte es mich gar nicht gegeben!“ (Willy Brandt).

Ich erwarte von Ihrer Zeitung in Zukunft mehr Qualität und Ernsthaftigkeit. Die haben Sie hier in keinster Weise geliefert. Stattdessen nur plumpe Stimmungsmache.

Mit freundlichen Grüßen!

Reinhard Lenz, Pfr.


Kommentare

Leserbrief von Pfarrer Reinhard Lenz — 2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Pfarrer Lenz,
    leider ist Ihr eloquenter und toller Artikel viiiiiiel zu lang, um von den Redakteuren gelesen zu werden, die nicht nur unter Zeitdruck stehen, sondern in diesem Fall -leider- ideologisch zu verblendet sind, um eine Gegenmeinung unvoreingenommen zu lesen. Leider!

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