Niemand zwingt uns zur Diffamierung von Menschenrechtlern. Diesen glücklichen Umstand sollten wir nutzen, meint Autor Leander März („Anleitung zur Gehässigkeit“) im Kommentar für faireMedien.de angesichts der Causa Hollemann.
Wie bekämpft man eine Idee, die man eigentlich gut heißen müsste? Anders gefragt: Wie bekämpft man Menschenrechtler, wenn man sich als liberale und rechtsstaatliche Gesellschaft versteht?
Wäre Deutschland ein Unrechtsstaat oder eine Diktatur, würde Vertretern von Bürger- und Menschenrechten durch diskrete Anweisungen von höherer Stelle der Weg zu politischen Ämtern versperrt. Die staatliche gelenkte Presse würde durch die Behauptung charakterlicher Mängel und dunkler Machenschaften für die hinreichende öffentliche Schmähung und Verhöhnung der Betroffenen sorgen. Wichtiger Teil dieses Mechanismus wäre, dass jeder, der dem Geschmähten helfen würde oder ihm auch nur sichtbar nahe stünde, befürchten müsste, den gleichen Schikanen zum Opfer zu fallen. Wie wirksam diese Methoden sind, führen uns die politischen Geschehnisse in zahlreichen Ländern, nicht nur in Putins Russland, immer wieder vor Augen.
Das Besondere an Fällen wie dem von Markus Hollemann und der ALfA besteht darin, dass hier die gleichen Mechanismen zum Einsatz kommen – leider jedoch in einer Demokratie und faszinierender Weise ganz ohne staatliche Steuerung.
Einer solchen Steuerung bedarf es gar nicht, damit eine – doch eigentlich liberale – Gesellschaft sich der Unbequemeren unter ihren Menschenrechtlern erwehrt. Auch ohne diskreten Telefonanruf aus irgendeiner Behörde erheben sich Stimmen, die vor Leserschaft oder Partei ausgerechnet den Menschenrechtler als Menschenfeind schmähen, den Demokraten als für die Demokratie Untauglichen, den besonders Mutigen als charakterlich Fragwürdigen. Das kann mit Perfidie und Raffinesse geschehen, oder einfach nur durch das Nachplappern gängiger Ressentiments gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen.
Entscheidend ist, dass die Geschmähten wie auch ihre Überzeugungen abgewertet werden, damit von beiden keine Gefahr mehr ausgeht. Und dass niemand ohne Gefährdung seiner eigenen Parteikarriere oder Wiederwahl es wagen kann, seine Unterstützung zu äußern.
So kann sich eine Gesellschaft den Ruf nach fundamentalen Menschenrechten – ja sogar deren ernsthafte Diskussion – vom Leibe halten, ohne ihr Selbstbild als Demokratie und Rechtsstaat aufgeben zu müssen. So kann eine Zeitung Menschenrechtler von politischen Ämtern fernhalten und pflegt dabei sogar noch ihr Image als liberales und demokratisches Organ.
Zum Glück herrschen in Deutschland Presse- und Meinungsfreiheit. Niemand zwingt uns zum Ausgrenzen und öffentlichen Diffamieren von Andersdenkenden, schon gar nicht von Demokraten, Menschen- und Bürgerrechtlern. Diese Errungenschaft ist ein Segen. Ich wünsche mir von jedem, der am öffentlichen Diskurs und gesellschaftlichen Leben teilnimmt, von eben dieser Errungenschaft reichlich Gebrauch zu machen. Auch wenn dies die Mühe verursacht, den eigenen Ressentiments etwas weniger und dem Reiz der vorurteilsfreien Auseinandersetzung etwas mutiger nachzugeben.
Leander März