Erläuterungen zum Offenen Brief an den Bayerischen Rundfunk

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Erläuterungen zum Offenen Brief an den Intendanten des Bayerischen Rundfunks Ulrich Wilhelm und den Vorsitzenden des Rundfunkrates des Bayerischen Rundfunks Dr. Lorenz Wolf anlässlich wiederholter Verstöße gegen journalistische Grundsätze beim Bayerischen Rundfunk

Im Februar 2015 erschien das Feature „APO von christlich rechts“ von Veronika Wawatschek im Bayerischen Rundfunk. Gegen diesen Beitrag wurden zahlreiche Programmbeschwerden eingelegt. Der Rundfunkrat hat daraufhin diesen Beitrag öffentlich als handwerklich mangelhaft kritisiert. Er hat die zahlreichen Mängel im Detail aufgeführt. Folgende Punkte hat er bemängelt:

  • Veronika Wawatschek nimmt meist unmittelbar Wertungen der Ansichten und Standpunkte vor, über die sie berichten will.
  • Es fehlt eine klare Trennung von Fakten und eigener kritischer Einordnung.
  • Behandelt wird eine zu große Bandbreite an Standpunkten unterschiedlicher Personen und Gruppierungen zu ganz unterschiedlichen Themen, ohne die Differenzen hinreichend klar zu machen.
  • Es erfolgt eine Darstellung „bestimmter Standpunkte oder der sie vertretenden Personen und Institutionen als in sich oder gleichermaßen kritikwürdig“.
  • Es wird der falsche Eindruck erzeugt, die vorgetragenen Standpunkte seien an sich und unterschiedslos schädlich für eine freiheitlich-demokratische Ordnung.

Damit hat der Rundfunkrat signalisiert, dass er ein Problem erkannt hat und das Problem auch genau beschreiben kann. Der Rundfunkrat hat die aufgrund der Mängel des Beitrags zu Unrecht erfolgte Darstellung „bestimmter Standpunkte oder der sie vertretenden Personen und Institutionen als in sich oder gleichermaßen kritikwürdig“ ausdrücklich bedauert. Damit hat der Rundfunkrat deutlich gemacht, dass Unschuldigen durch die BR-Berichterstattung ein Schaden entstanden ist. In der Stellungnahme des Rundfunkrates wurde versichert, dass aufgrund des Vorfalls „künftig noch mehr darauf geachtet wird, die beanstandeten Punkte möglichst zu vermeiden.“ Damit hat der Rundfunkrat eine bessere Qualitätskontrolle zugesichert.

Am 14. Juni 2015 erschien ein zweiter Beitrag von Veronika Wawatschek „Angstmacher vom rechten Rand der Kirche – Eine Gefahr für die Demokratie?“ in der BR-Sendung „Der Funkstreifzug”.

Dieser Beitrag weist die selben, vom Rundfunkrat zuvor kritisierten Mängel auf. Erschwerend kommt beim zweiten Mal hinzu, dass der Beitrag dieses Mal nicht als Meinungsbeitrag gekennzeichnet war, sondern als eine Analyse zu recherchierten Tatsachen. Der Beitrag verletzt mindestens die folgenden Artikel des Bayerischen Rundfunkgesetzes: Art 4, Abs. 1; Art 4, Abs. 2, Nr. 7; Art 4, Abs. 2, Nr. 10; Art 4, Abs. 2, Nr. 11 des BayRG.

Der Beitrag enthält grobe Unwahrheiten, dazu unbelegte Behauptungen und unfaire Assoziationen:

  • Wawatschek behauptet, dass Gender Mainstreaming als politische Strategie lediglich die Gleichberechtigung von Mann und Frau meine. Tatsächlich will Gender Mainstreaming „nicht weniger als den neuen Menschen schaffen, und zwar durch die Zerstörung der `traditionellen Geschlechtsrollen´.“ (Volker Zastrow, Politische Geschlechtsumwandlung, in: FAZ vom 20.06.2006)
  • Ungenau ist auch Wawatscheks Aussage zum Estrela-Bericht. Sie behauptet, dieser „hätte Frauen in bestimmten Situationen einen legalen Schwangerschaftsabbruch ermöglicht“. Korrekt ist, dass im Estrela Bericht ein EU-weites „Recht auf Abtreibung“ und die Frühsexualisierung von Kindern gefordert wurde.
  • Wawatschek behauptet: „Beide Kirchen tun sich schwer mit ihren Schafen am rechten Rand.“ Diese Behauptung wird durch nichts belegt. Durch diese Pauschalierung sind alle, die namentlich oder indirekt durch ihren Einsatz bzw. öffentliche Äußerungen zu den benannten Themen in der Sendung genannt werden, auf einmal am “rechten Rand”.
  • Unfair ist die Darstellung einer Position des EAD-Generalsekretärs Hartmut Steeb durch Wawatschek. Steeb hatte gesagt, er freue sich, wenn christliche Werte anerkannt werden, auch von ganz rechten oder ganz linken Personen. Wenn diese auch 100 mal etwas Falsches sagen und nur einmal etwas Richtiges, dann möchte er sie gerne für das Richtige loben. Steebs Distanz zu Rechtsextremen und Linksextremen kommt in diesen Worten deutlich zum Ausdruck. Wawatschek kommentiert dies aber so: „Ein Protestant und ein Neonazi Seit an Seit für christliche Werte?“. Warum schreibt Wawatschek hier nicht “Ein Protestant und ein Linksextremist Seit an Seit”.
  • In ähnlicher Weise behandelt Wawatschek Gabriele Kuby. Sie konstruiert eine Nähe von Kuby zur NPD, nur weil sie für eine ihrer Positionen Zustimmung von der NPD erhalten hat, ohne dabei in jeglichem Kontakt zu dieser Partei zu stehen. Für fast jede Position die man einnehmen kann, kann es Extremisten geben, die ihr zustimmen. Daraus den Eindruck einer ideologischen Nähe zu konstruieren, ist haarsträubend und unredlich. Wenn das Schule macht, sind alle Bürger der Willkür von Journalisten ausgeliefert.
  • Wieder ist Unschuldigen Unrecht angetan worden. Die Zusicherung des Rundfunkrats einer besseren Qualitätskontrolle ist nicht eingelöst worden. Das zerstört bei den Bürgern das Vertrauen in die Selbstkontrollmechanismen des Bayerischen Rundfunks.

Der Bayerischen Rundfunk ist gesetzlich verpflichtet, darauf zu achten, dass die Ansprüche einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt an die Qualität seiner Beiträge durchgängig eingelöst werden. Durch die Ausstrahlung solcher Beiträge verletzt der Bayerische Rundfunk die Pflichten, die ihm in seinem Programmauftrag vorgeschrieben sind. Im Rundfunkstaatsvertrag heißt es: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“

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Kommentare

Erläuterungen zum Offenen Brief an den Bayerischen Rundfunk — Ein Kommentar

  1. Einige der oben bedauerten Vorwürfe gegen rechtschristliche Gruppierungen sind in der neuen Petition auf „change.org“ unter diesem Titel gut behandelt:

    „Birgit Kelle, hören Sie auf, in Ihren Büchern und Vorträgen Menschen zu verleumden, lächerlich zu machen, zu belügen und gegeneinander aufzuhetzen!“

    Ein offener Brief an Birgit Kelle (und ihr Publikum)

    Birgit Kelle,

    in Ihren Büchern, in Interviews und bei öffentlichen Auftritten stellen Sie haltlose Behauptungen auf. Effekthascherisch und medienwirksam ereifern Sie sich über Sachverhalte, die nicht den Tatsachen entsprechen. Wie andere Protagonist_innen der derzeitigen Rechtspopulismus-Welle in Deutschland sprechen auch Sie von einer „totalitären“ „Gender-Ideologie“, deren angeblich überwiegend schwule, lesbische und queer*e Vertreter_innen der „Mehrheit“ „absurde“ Vorstellungen und „anormale“ Lebensweisen aufzwängen. Sie suggerieren, „Lobbyisten“ hätten sich gegen die „natürliche Ordnung“ der Geschlechter verschworen, um heterosexuelle Menschen zu verwirren, deren Familien zu zerrütten und die traditionelle Ehe zu „entwerten“.

    Sie stilisieren sich und Ihr Publikum auf groteske Weise zu Opfern, um homo- und trans*phobe Ressentiments zu schüren und der Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt zu schaden. Die Meinungsfreiheit gibt Ihnen nicht das Recht, Menschen zu verleumden, lächerlich zu machen, zu belügen und gegeneinander aufzuhetzen!

    Sie „warnen“ vor der angeblichen „Frühsexualisierung“ von Kindern. Tatsächlich aber sollen die von Ihnen angegriffenen Bildungspläne Kindern altersgerecht und zeitgemäß vermitteln, dass Homo-, Bi- und Trans*sexualität nichts Schlimmes ist – sondern etwas, das Kinder bei Anderen respektieren sollten und sie auch bei sich selbst zulassen dürfen. Das hat zunächst überhaupt nichts mit Sexualpraktiken zu tun!

    Kinder können durchaus bereits im Grundschulalter erfahren, dass manchmal – gar nicht so selten! – auch eine Frau mit einer Frau zusammenlebt oder ein Mann einen Mann liebt. Liebe ist nichts Anstößiges, Unmoralisches, Perverses. Homo-, Bi- und Trans*sexualität ist ein Aspekt menschlichen Lebens; sie gehört zur Lebenswirklichkeit von Millionen von Menschen und ist damit auch ein Bestandteil kindlicher Erfahrungswelt, der durch eine angemessene Beschäftigung verständlich wird. Vor allem muss das Mobbing gegen homo-, bi-, trans*- und inter*sexuelle Mitschüler_innen beendet werden. Aufklärung als irrelevant abzutun oder sogar zu sabotieren, ist unentschuldbar!

    Niemand bestreitet das Recht von Eltern auf Erziehung ihrer Kinder. Doch genauso wie Eltern nicht das Recht haben, ihre Kinder zu misshandeln oder verwahrlosen zu lassen, darf ein demokratischer Staat Eltern auch nicht das Recht einräumen, ihre Kinder – quasi „nach Familientradition“ – zu ignoranten und intoleranten Menschen zu deformieren, die dann Andere als ungleichwertig behandeln, sei es nun aus „biologischen“ oder sozialen Gründen. Deshalb vermittelt die allgemeinbildende Schule weit mehr als Deutsch-, Mathematik-, Geschichts- und Naturkundekenntnisse, sondern z.B. auch Ethik und Gemeinschaftskunde. Die Schule ist gerade dort gefragt, wo Eltern u.U. selbst nicht ausreichend informiert, unsicher oder pädagogisch überfordert sind. Dies gilt besonders für sensible und schambesetzte Themen, zu denen Kinder und Jugendliche Fragen haben, die sie aber vielleicht lieber unter Gleichaltrigen als mit den eigenen Eltern klären wollen. In der Schule werden Kinder und Jugendliche dabei durch Expert_innen und Fachpädagog_innen betreut.

    Aber Sie verwirren und schrecken Ihr Publikum mit verleumderischen Aussagen über den Aufklärungs- und Sexualkundeunterricht. Sie behaupten u.a., Homo- und Trans*sexuelle würden in Schulen kommen, um mit unzumutbaren Frivolitäten Kinder ihrer Kindheit zu berauben oder gar um Kindern nachzustellen. Das sind dreiste Lügen! Das ist Panikmache, mit der Sie Eltern gegen das staatliche Schulwesen und gegen nicht-heterosexuelle Menschen aufwiegeln! Wie boshaft ist es, Bildungs- und Aufklärungsarbeit in die Nähe sexuellen Missbrauchs durch Pädophile zu rücken?

    Sie verunglimpfen die Genderforschung als „unwissenschaftliche“ „Steuergeldverschwendung“. Ihr Publikum, das i.d.R. kaum konkreten Bezug zu akademischen Diskursen in den Sozial-, Verhaltens-, Geistes- und Naturwissenschaften oder spezifisches Fachwissen hat, speisen Sie mit biologistischen Plattitüden, Faktenverdrehungen und Kalauern ab. Mit welchem Recht fällen Sie Ihre Pauschalurteile über Wissenschaftler_innen und den Wert ihrer Tätigkeiten? Welche Expertise besitzen Sie für die vielfältigen Arbeitsweisen, Theorien, Befunde und Anwendungen der interdisziplinären Genderforschung?

    Sie stellen das Überdenken von Geschlechterrollen und geschlechtsspezifischen Sozialisationsmustern als überflüssig und lachhaft hin. Dabei strotzen Ihre angeblich so plausiblen Gegenargumente vor logischen und sachlichen Fehlern. Nach Ihren eigenen Angaben sei z.B. die vermeintlich „natürliche“ Vorliebe von Mädchen für rosafarbenes Spielzeug bei Ihrer Tochter erst nach dem Kontakt mit anderen Mädchen aufgetreten. Damit führen Sie Ihre eigene Argumentation ad absurdum! Oft skandalisieren Sie maßlos: So greifen Sie die zusätzliche Einrichtung von Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden an, indem Sie die Abschaffung getrennter Toiletten hinzudichten. Unisextoiletten müssen nicht verulkt werden als Orte für ‚Verwirrte, die nicht wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind‘. Öffentliche Unisextoiletten machen u.a. überall dort Sinn, wo Mütter ihre Söhne im Vorschulalter auf die Toilette begleiten müssen, Väter ihre Baby-Töchter wickeln wollen oder aus Platzgründen keine getrennten Toiletten eingerichtet werden können. Übrigens: Ist Ihnen bewusst, dass in den meisten Privatwohnungen nur Unisextoiletten existieren?

    Sie fantasieren außerdem über einen angeblichen Zwang zu gendersensibler Sprache an deutschen Universitäten. Tatsache ist: an keiner deutschen Universität (und in keiner Fachrichtung) herrscht ein irgendwie gearteter Zwang zu gendersensibler Sprache – es handelt sich lediglich um Empfehlungen und freiwillige Entscheidungen. Die Inhalte und die sprachliche Gestaltung offizieller Dokumente (z.B. von universitären Gremien) werden durch demokratische Mehrheitsbeschlüsse legitimiert. Entgegen Ihrer Darstellung werden Wissenschaftler_innen und Studierende nicht „abgestraft“ oder „verfolgt“, falls sie sich nicht gendersensibel ausdrücken! Wer z.B. Frauen* verschweigen will – aus welchem Grund auch immer – darf dies tun.

    Sie diffamieren Menschengruppen, Reformprojekte, die Wissenschaften und deren Protagonist_innen. Ihr antifeministischer, homo-, bi-, trans*- und inter*phober Gaga-„Journalismus“ ist schamlos. Doch offenbar lohnt er sich für Sie – auch finanziell.

    Axel Salheiser, Jena (für http://www.queerweg.de)“

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