FaireMedien-Kommentator Felix Honekamp hat den Vorsitzenden des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks Dr. Lorenz Wolf um weitere Erläuterung zum Fall des vom Rundfunkrat bemängelten Beitrags „Apo von christlich-rechts“ von Veronika Wawatschek gebeten. Ihn trieb besonders die Frage um, ob nicht weitere Konsequenzen aus der Kritik des Rundfunkrates gezogen werden sollten. Die Antwort von Dr. Wolf fiel aber ernüchternd aus.
Felix Honekamp im Wortlaut:
Welche Aufgaben ein Rundfunkrat hat und welche Freiheiten eine Redaktion, geht aus einem Schreiben von Dr. Lorenz Wolf zu einer BR-Sendung hervor.
Ich habe mich dann doch nicht damit bescheiden können und nach der generellen Reaktion des Vorsitzenden des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks, Dr. Lorenz Wolf vom 27. April zur BR-Sendung “APO von christlich-rechts” (siehe ‘“APO von christlich-rechts?” – Der Rundfunkrat hat gesprochen‘), mit einer Mail am 5. Mai eine weitere Erläuterung erbeten. Der Wortlaut meiner Mail war wie folgt:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Dr. Wolf,
zunächst vielen Dank für die Rückmeldung, die wohl gleichlautend auch an andere Anfragende gegangen ist.
Ich kann die Bewertungen der Stellungnahme durchaus nachvollziehen. Dennoch habe ich dazu noch Fragen:
Sollte eine aus dem Zusammenhang gerissene Interviewpassage wie die von Herrn Lota nicht mindestens zu einer öffentlichen Entschuldigung des Senders bei den Hörern und bei den Betroffenen führen?
Sollten die von Ihnen selbst angebrachten Kritikpunkte nicht dazu führen, dass der irreführende Beitrag zumindest nicht mehr im Onlineangebot des BR zur Verfügung gestellt wird?
Sollte die Bewertung – die Fakten haben Sie selbst aufgeführt – nicht zu Konsequenzen auch bei den verantwortlichen Personen der Redaktion führen? Unterschwellig bleibt leider die Botschaft, dass es zwar “handwerkliche Mängel” gegeben habe, der Beitrag in Summe aber in Ordnung ginge – müsste man dem nicht deutlicher widersprechen, da der Beitrag offenbar nicht mit lauteren Mitteln zu der erwünschten Botschaft gekommen ist?
Sollte man sich der von Ihnen dargelegten Versäumnisse Gedanken darüber machen, wie derartige irreführende Berichterstattungen zukünftig vermieden werden können, auch dann wenn es sich um ein “Feature” handelt?
Über eine Stellungnahme hierzu würde ich mich freuen.Herzliche Grüße
Felix Honekamp
Dr. Wolf hat mir in einem persönlichen Schreiben geantwortet, und diese Antwort möchte ich hier natürlich auch wiedergeben (das Originaldokument finden Sie hier). Leider geht Herr Dr. Wolf auf die erste Frage nach einer Entschuldigung gegenüber Herrn Lota nicht ein. Ich weiß allerdings auch nicht, ob eine solche nicht zwischenzeitlich erfolgt ist – würde ich das hier beruflich machen, hätte ich bei ihm nachgefragt, aber irgendwann muss ich auch die Flügel strecken.
Die restliche Antwort ist aber lesenswert und – wie ich finde – auch durchaus nachvollziehbar, auch wenn sie ein paar Türen auch für den Missbrauch öffnet. Darin heißt es unter anderem:
Mit Blick auf das verfassungsrechtlich garantierte hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit kann die von Ihnen angesprochene Depublizierung eines Beitrags aber nur als ultima ratio in Betracht kommen, wenn deren Begründung die Hürde des Verdachts auf Zensur zu überwinden vermag. Der zuständige Ausschuss hat dazu keine Gründe vorgetragen und sah nach der rechtlichen Prüfung der Sendung dazu auch keine Veranlassung.
Im Folgenden weist Dr. Wolf noch auf den Umstand hin, dass es aufgrund der zwischenzeitlichen Diskussion auch nicht der Transparenz diene, den Beitrag nun aus dem Onlineangebot des BR zu entfernen.
Ergänzend schreibt er noch:
Sehr geehrter Herr Honekamp, an dieser Stelle darf ich noch hervorheben, dass es gemäß den gesetzlichen Regelungen nicht Aufgabe des Rundfunkrats sein kann noch darf, einen Meinungsbeitrag aufgrund der dort vorgebrachten Meinung zu bewerten. Das Augenmerk der Aufsicht hat sich vielmehr darauf zu richten, ob die Form der Präsentation einer Meinung zu beanstanden ist und ob im Gesamtprogramm die Vielfalt der Meinungen in einem ausgewogenen Maß zum Zuge kommt. Dieser Aufgabe hat sich der zuständige Ausschuss gestellt und entsprechend differenzierte Kritik geäußert. Die zahlreichen Reaktionen auf das Ergebnis der Befassung des Hörfunkausschusses zeigen, dass dies ganz überwiegend auch den Personen, die Stellung genommen haben, so wahrgenommen wurde.
Nun kann ich die Antwort von Dr. Wolf durchaus nachvollziehen, immer vorausgesetzt, dass die beschriebenen Aufgabenstellungen so richtig wiedergegeben sind. Einen Meinungsbeitrag zurücknehmen zu lassen – eine freiwillige Entscheidung der Redaktion wäre eine andere Sache – käme sicher hart an die Grenze, die dort vertetene Meinung nicht zulassen zu wollen. “Zensur” wäre dann der nicht völlig aus der Luft gegriffene Vorwurf. Auch dass man sich nicht mit der vertretenen Meinung an sich sondern lediglich mit der Präsentation und der Herleitung auseinanderzusetzen habe, erscheint mir nachvollziehbar. Gerade hier aber liegt der Hase im Pfeffer!
Bereitet man unter dem Label eines “Features”, also eines Meinungsbeitrags, eine Sendung in der Form auf, wie dies Veronika Wawatschek als Redakteurin der betreffenden Sendung getan hat, kann man sich vielleicht einen Rüffel des Rundfunkrates einfangen – jedenfalls dann, wenn ausreichend Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt wurde -, der allerdings ist offenbar von folgenloser Richtigkeit. Es wird eine Meinung wiedergegeben, die Freiheit dies zu tun kann und soll nicht beschnitten werden, die Art der Präsentation kann bemängelt aber im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen bishin zur aus dem Zusammenhang gerissenen Wiedergabe von Interviewaussagen, nicht sanktioniert werden. Die Drohkulisse “Einschränkung der Pressefreiheit” macht es möglich.
Frau Wawatschek darf natürlich ihre eigene Meinung haben, sie kann sie auch – wenn dies deutlich gemacht wird – in einer Sendung wie der betreffenden zum Ausdruck bringen. Ob es aber generell die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – gebührenfinanziert! – sein kann, zum Meinungsmarkt ihrer Redakteure zu werden, sollte man doch in Frage stellen. Wenn dazu noch mit handwerklich fraglichen Mitteln gearbeitet wird, die den Zuhörer auf eine nicht objektive Fährte locken, scheint mir – das ist aber nur meine Meinung, keine juristische Einschätzung – die Grenze des Versorgungsauftrags des ÖR-Rundfunks deutlich überschritten.
Es ist offenbar nicht die Aufgabe von Dr. Wolf und dem Rundfunkrat, hier einzugreifen; damit ist sein “Schwert” aber zu stumpf, um einen Missbrauch der Marktmacht der öffentlich-rechtlichen Medien zu verhindern. Ob es andere rechtliche Mittel gibt, gegen solche Sendungen vorzugehen, weiß ich nicht, ich würde sie in dem Fall auch nicht nutzen wollen. Klar ist aber, dass wieder mal bewiesen wurde, dass der ÖR-Rundfunk nicht einfach deshalb einen Wert hat, weil er öffentlich-rechtlich ist. Den “Privaten” wird mitunter unterstellt, doch nur vom Geld und damit Konzernen und Partikularinteressen geleitet zu sein – aber wo ist da mit Blick auf solche Sendungen der Unterschied zum Bayerischen Rundfunk?
Beitrag erschien auf Papsttreuer Blog.